vom Mittwoch, 13.09. bis Samstag, 16.09.2023, Palazzo Feltrinelli, Gargnano, , Italien
Wieder hat, trotz unsicherer Prognosen, sommerliches gutes Wetter in Gargnano die Stimmung unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern gehoben. Das war ganz im Sinne einer stimulierenden positiven Lern- und Lehr-Atmosphäre. Die Kaffeepausen und Mahlzeiten konnten alle im Freien, also im Garten des Palazzo Feltrinelli eingenommen werden und waren mit lebhaften Gesprächen gefüllt.
Am 13. September hielt Peter Wolf als Senior unter den Anwesenden und als einer der Mit-Begründer des Praxisseminars bei einem Begrüßungs-Getränk auf dem Balkon des Palazzo Feltrinelli wie in den Vorjahren eine-kleine Ansprache zu den historischen Bezüge zum Ort, zu Goethe und den Limonen-Hainen, den in der Ferne manchmal sichtbaren Turm von Solferino, wo eine blutige Schlacht im 19. Jahrhundert Anlass für Henry Dunant war, das Rote Kreuz zu gründen; Peter Wolf referierte die Geschichte der Familie Feltrinelli mit ihrem Palast in Gargnano und auch, dass Mussolini sich für wenige Wochen im Palazzo aufhielt. Der Palast wurde nach dem zweiten Weltkrieg von der Familie Feltrinelli der Universität Mailand zum Zwecke der akademischen Fortbildung geschenkt; die Terminierung des Praxisseminars erfordert deswegen jährlich eine enge Abstimmung mit der Universität Mailand. Vom akademischen Lehrkörper der Uni Mailand ist Prof. Paola Canevini die derzeitige Ansprechpartnerin der Stiftung Michael, sie hält beim Praxisseminar wiederholt sehr interessante Epilepsievorträge mit ihrer großen Expertise und Forschungstätigkeit. Prof. Wolf hatte wenige Tage zuvor beim Internationalen Epilepsie-Kongress in Dublin den Life Achievement Award der Internationalen Liga gegen Epilepsie (ILAE) erhalten, der die höchste durch die ILAE zu vergebende Auszeichnung ist.
Am Donnerstag (14.9.) begrüßte der Vorstand der Stiftung Michael (Ulrich Stephani) die Teilnehmenden und musste Krankheits-bedingte Änderungen am Programm bekannt geben: Frau Martha Feucht aus Wien und Frau Paola Canevini konnten leider nicht ihre Vortrags-Zusage einhalten.
In der Vormittagssitzung startete Martin Holtkamp aus Berlin mit einem Vortrag über Klassifikation von epileptischen Anfällen und Epilepsien. Dabei wurden sowohl historische als auch aktuelle Klassifikations-Kategorien berichtet, wobei sich als Konstante über die Zeit insbes. die Dichotomisierung in fokale und generalisierte Anfalls- und Epilepsieformen erwies. In der Diskussion wurde insbes. auf die Existenz von Netzwerken im Gehirn verwiesen, die aber noch keinen Eingang in die Klassifikation gefunden haben.
Christian Vollmer aus München setzte die Vormittags-Sitzung fort mit seinem Vortrag zur multimodalen Bildgebung bei hochkomplexen Epilepsien. Um den Nutzen für die Patienten zu maximieren und die Risiken einer neurochirurgischen Interventionen zu minimieren, ist heutzutage der Einsatz zahlreicher Bildgebungs-Verfahren, einschließlich funktioneller Methoden möglich bzw. notwendig. Der apparative und personelle Aufwand wurde dabei sehr deutlich.
Anschließend referierte Jan Remi (München) mit zahlreichen Videobeispielen zum Thema Epilepsie und Schlaf. Dabei wurden viele Epilepsie- und EEG-Phänomene erklärt.
Abgerundet wurde der Vormittag von einem Quiz mit 22 Fragen zur Epileptologie von Günter Krämer (Zürich), für das es die Auflösung am folgenden Nachmittag gab und bei dem wieder das breite Spektrum der Epileptologie z.T. detailgenau abgefragt wurde.
Am Donnerstagabend referierte Ulrich Stephani (Kiel) über das Thema „Stiftung Michael, national und international“, bei dem es bes. um die Entstehungsgeschichte der Stiftung sowie ihr gegenwärtiges Angebot an Broschüren, Preisen und Stipendien ging.
Am Freitag (15.9.) gab es als besonderes Highlight Vorträge von 7 Stipendiatinnen und Stipendiaten, die sehr interessante Kasuistiken und Problemstellungen mitbrachten und gekonnt vortrugen: Creutzfeld – Jakob-Krankheit und EEG, HECW2-Mutationen, NORSE-FIRES und DNM1L-Mutation: Bedeutung von ketogener Diät, Neurotuberkulose, Enzephalitis bedingt durch Medikamenten-Dosierungsfehler bei metastasiertem Karzinom, Ultra-Longterm-EEG, Schlaf-gebundener hypermotorische Epilepsie waren die Themen.
Die Vormittags -Vorträge wurden fortgesetzt von Christoph Baumgartner (Wien) mit dem Thema Epilepsiechirurgie und Stimulationsverfahren, bei dem die unterschiedlichen therapeutischen Verfahren und deren Ergebnisse thematisiert wurden. Danach sprach Bettina Schmitz (Berlin) mit dem Thema „Epilepsie und Frau“ zu diesbezüglichen Themen wie Schwangerschaft und teratogene Risiken, geschlechtsspezifische Wirkungen von anfalls-supprimierender Medikation, hormonelle Wirkungen auf Epilepsie.
Am Sonnabend (16.9.) hielt Günter Krämer (Zürich) einen Vortrag über Jüdische Epileptologen und Nationalsozialismus, gefolgt von Ingrid Cobans Vortrag zum Update Erwachsenwerden: Der Start ins Berufsleben (mit Epilepsie). „Beratung: wer wie warum – wer nicht fragt …“ war das Thema des letzten Vortrags von Bettina Schmitz (Berlin).
Seit mehreren Jahren wird, wie auch in diesem Jahr, ein Schwerpunkt der Nachmittags-Seminare auf die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten zur Elektroenzephalographie (EEG) gelegt. Das EEG ist weiterhin die wichtigste Labormethode in der Epileptologie – 2023 engagierten sich wie auch schon im Vorjahr Susanne Schubert-Bast und Adam Strzelczyk (beide aus Frankfurt) am Donnerstag- und Freitag-Nachmittag in mehrstündigen Seminaren. Die Veranstaltung war von der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionellen Bildgebung (DGKN) für den Erwerb des sogen. „EEG-Schein“ mit Punkten akkreditiert.
Daneben gab es Seminare zu unterschiedlichen Themen: MRT-Befundung, Neue Leitlinien der DGN, Anfälle auf der ITS, Epilepsie und Schwangerschaft, Neues vom Dravet-Syndrom, Epilepsie und Arbeit: Knifflige Fälle, Kasuistische Übungen in der prächirurgischen Diagnostik, Niederlassung/Schwerpunktpraxis Epilepsie.
Bettina Schmitz (Berlin) dankte zum Farewell allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, den jeweiligen Dozentinnen und Dozenten und auch der Organisation des Praxisseminars (insbes. Yulia Skoretskaya und Dieter Hein), dem Catering und der Technik-Unterstützung.
Abschließend: Das Altersspektrum der Referentenschaft und der Teilnehmenden war von Ende 20 bis über 80 Jahre (insgesamt ca. 75 Personen). Hinzu kamen Begleit-/ Partner-Personen. Diese über fünfzig Jahre umfassende Lebensspanne der Gargnano Praxisseminar-Teilnehmerschaft führte vor, wie die Beschäftigung mit Epilepsie-Themen und privates Leben in Zusammenhang stehen können. Das persönliche Anteilnehmen am Thema Epilepsie mit allem, was dazu gehört (u.a. eine immer größer werdende persönliche Expertise in Epileptologie und Organisation) war bei den ehrenamtlichen Referentinnen und Referenten / Organisatoren zu spüren.
Das sehr gute „Feed-back“ der Teilnehmerinnen und Teilnehmern ist Ansporn für weitere Seminare dieser Art; das nächste am gleichen Ort soll vom 15.-18. September 2024 stattfinden.
Ulrich Stephani (Kiel)
STIFTUNG MICHAEL
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